Wir sind nicht Gott

Immer häufiger wird in den Medien berichtet von Aussagen "Wir müssen etwas tun! Wir müssen jetzt handeln, sonst ist es zu spät." Wir müssen tun, wir müssen handeln, tun, handeln...

Worum es geht? Um Klimaschutz, Artenschutz, Frieden, kurz: unsere Welt.
Doch hier beginnt schon der erste Irrtum. Es ist nicht "unsere Welt", wer sagt denn, dass sie uns gehört? Gibt es eine Besitzurkunde? Nur weil der Mensch seit einiger (und verglichen mit der Weltgeschichte bedenklich kurzer) Zeit an der Spitze der Nahrungskette steht und damit, wohl gemerkt, herzlich überfordert ist, heißt das nicht, dass er sie besitzt, die Welt, die Erde.

Wir haben immerhin erkannt und übernehmen nun Verantwortung. Jedoch zu welchem Preis? Über Jahrhunderte hinweg domestizierten wir Tiere und Pflanzen, so lange, bis sie zu weiten Teilen abhängig von uns Menschen wurden. Wir nehmen erst Lebensräume, um dann Schutzgebiete einzurichten. Wir töten Tiere, um sie dann, fünf Minuten vor 12, zu schützen und in Zoos oder Reservoirs zu züchten. 
Der Mensch zerstört, um danach den Schaden zu regulieren. 
Wir sorgen tagtäglich für Klimaerwärmung, um jetzt den Kampf anzugehen, die Treibhausgase zu reduzieren. Wir roden viel zu große Waldflächen, um dann wieder aufzuforsten und uns Sorgen um den Waldbestand zu machen. Wir kippen den Müll in die Meere, um dann in aufwendigen Rettungsaktionen Tieren die Plastikreste aus dem Magen zu entfernen.

Wir gehen immer weiter, höher, schneller, die Erde reicht manchen nicht mehr, es muss der Mars sein. Schade, dass Mensch noch nicht weiter reisen kann.

Des Menschen Überlegenheit an Intelligenz ist gehüllt in einen Schutzpanzer aus Arroganz, der bestehende Dinge überrollt und hinterher manchmal sieht, was er angerichtet hat.

Unser Entdeckergeist zeigt uns täglich, auf welch wunderbarem Planeten wir leben und dass auf ihm alles bewunderns- und schützenswert ist. Leider mangelt es uns seit jeher an Bescheidenheit, an Zurückhaltung und Ehrfurcht.

Wir müssen weniger machen, nicht mehr.

Wir müssten uns einschränken, nicht noch weiter gehen - und das nicht nur zu Pandemiezeiten.
Wir müssten Rücksicht und Toleranz neu lernen, uns mit umweltfreundlicheren Lösungen zufrieden geben, und solange es diese noch nicht gibt, uns und unser Ego zurücknehmen. 

Es ist nicht noch mehr Aktionismus, was die Welt braucht.

Die Welt hat einen perfekten Kreislauf, den der Mensch tagtäglich stört. Wenn sie etwas braucht, sind es weniger Eingriffe und Übergriffe, ein Mit-ihr, kein Gegen-sie. Uns Menschen braucht sie jedenfalls überhaupt nicht. Wir sind nicht einmal gut als Futter.
Dabei schwingen wir uns auf zu Weltbeherrschern, Weltrettern, Walrettern, Klimarettern, Retter der Seehunde, der Flughunde, Beschützer von Wasserfällen und Wäldern, Steppen, Wüsten und Großmeister der fünf Elemente innerhalb der Grenzen des für uns erreichbaren Universums.
Erstaunlicherweise sind wir immer noch, genau wie vor 10.000 Jahren, abhängig von dem, was wir uns scheinbar allgegenwärtig Untertan gemacht haben. Und wie schnell sich die Welt alles wieder zurückholen kann, sehen wir fast täglich. Wenn der Mensch sich nicht gegenseitig auslöscht, tun dies Naturkatastrophen oder Krankheiten für ihn.

Die Lösung liegt sicher nicht darin, die Natur in wildem Aktionismus noch mehr kontrollieren und domestizieren zu wollen, sondern wohl vielmehr in einem Schritt zurück zu Bescheidenheit und Demut. Doch wie kann das erreicht werden in einer Welt, die vom Konsum beherrscht wird und deren Grenzen bereits längst nicht mehr ausreichen?